Links: Die DBV-Teilnehmer*innen von Barcelona '92; Stephan Kuhl, Stefan Frey, Katrin Schmidt und Kerstin Ubben. Rechts: Kuhl mit ARD-Reporter Wilfried Luchtenberg (Fotos: BadmintonPhoto/Privat)

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Stephan Kuhl: "Dinge, die für immer bleiben"

Countdown to Tokio: Wir zählen die Stunden. Vor dem Badminton-Start der Olympischen Spiele in Japan gibt es noch mal Lesestoff. Wir haben mit dem ehemaligen Nationalspieler und Bundestrainer Stephan Kuhl (53) über die olympische Badminton-Premiere im Jahr 1992 gesprochen.

Von Manuel Rösler

 

badminton.de: Stephan, wie lief die Qualifikation für die Olympischen Spiele 1992 in Barcelona ab?

Stephan Kuhl: Die Qualifikation war damals etwas anders als heute. Es gab eine einjährige Qualifikationsphase. Für die Qualifikationsranglisten zählten nur die besten acht Turniere. In meinem Fall war das Pech unser Glück: Ich hatte mir im Sommer 1991 und noch mal im November einen Meniskusriss zugezogen und konnte erst kurz vor den Deutschen Meisterschaften 1992 wieder ins Training einsteigen.

Wir, Stefan Frey und ich, haben, trotz des Trainingsrückstandes den Titel gewonnen. Und damit wurden wir vom damaligen Bundestrainer Xu Quanheng für den Thomas Cup und weitere große Turniere nominiert. Wir haben zum Beispiel bei den YONEX All-England gut gespielt sowie auch bei den French Open. Zum Abschluss der Qualifikation konnten wir bei der Individual-Europameisterschaft die Bronzemedaille gewinnen. Das war die erste EM-Medaille für den DBV Im Herrenbereich nach knapp 16 Jahren.

Damals kam uns auch zugute, dass es Bonuspunkte gab, wenn man besser platzierte Spieler geschlagen hatte. Dadurch erspielten wir uns eine hohe Platzierung in der Weltrangliste und waren am Ende der Qualifikation das beste deutsche Herrendoppel.

Wir hatten zunächst alle Turniere - außer EM und Thomas-Cup - selbst finanziert, da wir nicht im DBV-Kader waren. Wir sind sozusagen als Underdogs in die Qualifikation gestartet.

badminton.de: Warst Du bei der Eröffnungsfeier dabei?

Kuhl: Ja - und auch bei der Abschiedsfeier. Es war ein tolles Erlebnis. Eine super schöne Erinnerung für mich.

In Erinnerung bleiben mir auch Gespräche mit dem Basketballer Detlef Schrempf und Steffi Graf

Stephan Kuhl

badminton.de: Wie war das Leben im olympischen Dorf?

Kuhl: Die Zimmer waren spartanisch eingerichtet. Bis 24:00 Uhr war im Dorf immer was los. Und gegen 03:00 Uhr kam schon die Müllabfuhr und machte ordentlich Krach. Viel schlafen konnte man damals nicht. Zumindest war es schwierig. In meiner Reha habe ich einen Hockeyspieler kennengelernt und war daher nah an der Hockey-Mannschaft dran, die später die Goldmedaille gewinnen konnte. Ich durfte mit ihnen auch den Olympiasieg feiern.

In Erinnerung bleiben mir auch Gespräche mit dem Basketballer Detlef Schrempf und Steffi Graf. Ich habe beide als super Typen und bescheidene Menschen kennengelernt.

Stephan Kuhl trat in Barcelona sowohl im Herrendoppel als auch im Herreneinzel an. Im Doppel mit Partner Stefan Frey unterlag Kuhl zum Auftakt der britischen Paarung Nick Ponting/Dave Wright in zwei Sätzen. Im Einzel ("Einzel habe ich nur aus Spaß gespielt") musste sich der DBV-Athlet dem Österreicher Jürgen Koch in drei Sätzen geschlagen geben.

badminton.de: Was hast Du nach dem Wettkampf in Barcelona gemacht?

Kuhl: In der ersten Woche standen für mich nur die Badminton-Wettkämpfe auf dem Programm. Als ich ausschied, wurde ich vom damaligen ARD-Kommentar Wilfried Luchtenberg gebeten, mit ihm gemeinsam die Spiele im Fernsehen zu kommentieren. So habe ich die Halbfinals und Finalspiele gemeinsam mit Wilfried für die ARD kommentiert.

Abseits der Badmintonhalle hatte ich viele tolle Gespräche mit verschiedenen Athleten aus anderen Sportarten.

badminton.de: Badminton war 1992 erstmals Teil des Olympiaprogramms. Wie hat man die Badmintonspieler so als „Neulinge" aufgenommen?

Kuhl: Wir wurden respektvoll behandelt, überhaupt nicht belächelt. So waren zum Beispiel die deutschen Basketballer auch in der Badmintonhalle zuschauen. Ich würde sagen, wir haben damals viel Respekt erfahren.

badminton.de: Würdest Du sagen, es gab durch die Aufnahme ins olympische Programm in Deutschland eine Art Badminton-Boom?

Kuhl: Kurzfristig, würde ich sagen. Wir hatten damals eine große mediale Aufmerksamkeit. Ich musste so viele Autogrammwünsche wie noch nie zuvor erfüllen. Aber nach sechs Monaten war das dann wieder vorbei.

Ein tolles Erlebnis war damals auch die Ehrung in einem vollen Olympiastadion in Berlin. Wir liefen als Olympiateilnehmer in der Halbzeitpause eines Showkampfes der NFL zwischen den Miami Dolphins und den Denver Broncos ins riesige Stadion ein.

Wir haben damals viel Respekt von Athleten aus anderen Sportarten erfahren

Stephan Kuhl

badminton.de: Würdest Du lieber in der heutigen Zeit Badmintonprofi sein?

Kuhl: Ja, definitiv. Die Strukturen im DBV sind heute viel besser als noch zu meiner aktiven Zeit. Ich galt damals schon als Querulant, weil ich einen Physiotherapeuten bei den Wettkämpfen forderte. Es war damals eher unprofessionell. Man konnte auch, wenn man bei der Bundeswehr als Zeitsoldat war, nicht studieren. Da hat man heute mehr Möglichkeiten und ist vorausschauender, was eine duale Karriere betrifft.

Außerdem hatten wir damals lediglich ein bis zwei Trainer für sämtliche Athleten. Heute gibt es in Deutschland ein sehr viel besseres Trainingssystem. Wir mussten unsere Trainings am Stützpunkt in Köln damals zum großen Teil selbst steuern und sogar die Gespräche mit den Institutionen oder Unis führen.

Finanziell war das damals in Ordnung für mich. Ich war durch meine Sponsoren YONEX und Intersport gut abgesichert und konnte mein Leben und mein Studium finanzieren. Dazu kam noch die Bundesliga. Ich denke, wir haben damals in der Bundesliga mehr verdient als die Spieler*innen heute.

badminton.de: Was bleibt fast 30 Jahre nach den "Spielen" für Dich heute noch hängen?

Kuhl: Das sind vier Dinge: Die Eröffnungsfeier in einem vollen Olympiastadion. Das kannten wir in der Form gar nicht. Meine Tätigkeiten für die ARD mit Wilfried Luchtenberg. Die Feier mit dem deutschen Hockeyteam im „deutschen Haus“. Und die Abschlussfeier. Das sind die Dinge, die wohl für immer bleiben.

badminton.de: Was machst Du heute?

Kuhl: Nachdem ich Ende 2013 als Bundestrainer Dameneinzel aufgehört habe, habe ich eine Umschulung zum Kaufmann im Gesundheitswesen absolviert. Da ich während meiner Badminton-Karriere BWL und Medizin studiert habe, kam mir das sehr entgegen. Heute arbeite ich als Medizincontroller in einer großen psychiatrischen Klinik in Köln und genieße die festen Arbeitszeiten, sodass ich Zeit für meine Familie habe.

Zudem gebe ich dreimal die Woche Training in Köln und bleibe dem Badmintonsport so ein bisschen verbunden.

Vielen Dank für das Gespräch!

Stephan Kuhl | Erfolge im Überblick:

  • Bronzemedaille Europameisterschaften 1992 im Herrendoppel (mit Stefan Frey)
  • Swiss Open 1990 im Herrendoppel (mit Stefan Frey)
  • Irish Open 1990 im Herrendoppel (mit Kai Mitteldorf)
  • Czech Open 1988 im Herrendoppel (mit Robert Neumann)
  • Austrian Open 1988 im Herrendoppel (mit Robert Neumann)
  • Deutscher Meister im Herrendoppel 1988, 1990, 1992
  • Deutscher Meister im Mixed 1998

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