Im Hintergrund: Kira Kattenbeck; hier mit Franziska Volkmann (Foto: BadmintonPhoto)

Interview

Skills fürs Leben: Was macht eigentlich Kira Kattenbeck?

Unter dem Motto „Skills fürs Leben durch Badminton – was macht eigentlich ...?“ stehen mehrere ehemalige Top-Spielerinnen und -spieler des Deutschen Badminton-Verbandes (DBV) im Fokus.

Von Diemo Ruhnow

 

Dieses Mal sprach Diemo Ruhnow, der leitende Bundestrainer Doppel/Mixed im DBV, mit Kira Kattenbeck, die zusammen mit Raphael Beck sensationell mit einem Sieg gegen das russische Weltklassepaar Durkin/Vislova bei den ersten European Games 2015 in Baku die Bronzemedaille gewann. Die studierte Psychologin absolviert zurzeit ihre Psychotherapeutenausbildung. Im Interview erzählt sie von den Herausforderungen und Perspektiven, die mit einer Karriere im Leistungssport verbunden sind.

Du hast Dich vor vier Jahren aus dem Leistungssport verabschiedet. Was hast du seitdem gemacht und wie hat sich dein Alltag verändert?
Kira Kattenbeck: Ich hab im Sommer 2017 mein Psychologiestudium mit dem Master abgeschlossen und mache aktuell meine Psychotherapeutenausbildung, eine Art Fachweiterbildung, die im Anschluss an Bachelor- und Masterstudium absolviert werden muss, um als Therapeut tätig sein zu können. Dort arbeite ich aktuell drei Tage die Woche in einer Akutpsychologie, d.h. mit stationären Patienten im Krankenhaus, und zwei Tage in der Ambulanz. Dort kommen die Patienten einmal die Woche hin und sind dann Patienten, die schon stabiler sind.

Wie war das für dich, dein Studium hat ja eine hohe Eingangsvoraussetzung und gilt als überaus anspruchsvoll. Trotzdem hast du es sehr straff und mit sehr guten Noten durchgezogen – wie hast du das geschafft?
Kattenbeck: Ich hab schon gemerkt, dass die Noten im Master noch besser wurden, als ich es etwas entspannter angegangen habe. Letztendlich ist viel selbst Organisieren und Strukturieren von Nöten. Ich hatte aber auch das Glück, auf Leute zu treffen und Freunde zu haben, die das Thema Leistungssport verstehen und mir bei Klausuren und Studiumsinhalten geholfen haben, weil ich ja die Vorlesungen auch nicht so regelmäßig besuchen konnte.

Generell geht man oft davon aus, dass sich das Studium durch den Leistungssport in die Länge zieht. Wie war das bei dir?
Kattenbeck: Ich hab es tatsächlich relativ straff durchgezogen, den Bachelor in Regelstudienzeit absolviert. Bedingt durch die Qualifikation für die European Games habe ich mir für den Master ein Jahr länger Zeit genommen. Ich weiß aber auch nicht, ob ich es nochmal unbedingt genauso machen würde.

Das heißt, wenn du jetzt zurückschaust, würdest du dir mehr Zeit lassen oder was würdest du anders machen?
Kattenbeck: Meine Überlegung war schon im Nachhinein, dass ich es etwas mehr strecken hätte können. Auf der anderen Seite bietet sich das bei anderen Studiengängen auch mehr an als bei Psychologie – je kleiner der Studiengang, desto schwieriger erschien es mir, individuelle Lösungen für Abwesenheiten oder die Streckung zu finden.

Was waren damals für dich die Gründe am Anfang deines Studiums, dies nicht zu machen?
Kattenbeck: Ich denke, ich hatte an mich einen hohen Anspruch und wäre nicht damit zufrieden gewesen, pro Semester nur ein oder zwei Veranstaltungen zu besuchen. Das hätte mir einfach nicht ausgereicht. Zusätzlich auch noch das Wissen im Hinterkopf, dass ich nach dem Studium noch eine Weiterbildung machen muss. Das hieß, ich wäre mindestens acht Jahre dabei, realistisch eher 10-12 Jahre.

Das heißt, es ist der Klassiker, dass man nach dem Studium noch eine Therapeutenausbildung absolviert?
Kattenbeck: Genau. Wenn man im klinischen Bereich arbeiten oder sich mit eigener Praxis niederlassen möchte, benötigte man diese Ausbildung und erhält im Anschluss die Approbation. Das ist vergleichbar mit dem Facharzt für Medizinstudenten, die diesen nach dem Studium noch oben drauf setzen müssen.

Wie war der Übergang nach dem Leistungssport für dich?
Kattenbeck: Es lagen noch Bewerbungen für Praktika an, weil die für mich und den Sport nicht vereinbar waren. Da sah ich anfangs schon eine kleine Hürde. Bekomme ich überhaupt einen Praktikumsplatz? Aber das war letztendlich gar kein Problem. Bei den Instituten kam dann schon das Thema Leistungssport auf, wo ich gerade für meinen Bereich als Therapeutin aber viel aus dem Sport mitnehmen oder übertragen kann. Zum Beispiel das Thema Selbstfürsorge, wann signalisiert mir mein Kopf oder Körper, dass ich eine Pause brauche und wie ich Ressourcen einteile. Dies wurde letztendlich als Bonus von den Instituten angesehen, weil die Therapeutenausbildung schon sehr belastend sein kann und ich durch den Leistungssport gewohnt war, Belastungen zu bewältigen. Ich glaube zudem, das Plus, wie man sich in so einem Gespräch verkauft, wie das eigene Auftreten ist, hat letztendlich zu den Zusagen geführt.

Wenn du jetzt auf deine aktuelle Tätigkeit und deinen zukünftigen Beruf schaust, welche Qualitäten braucht es da und welche Erfahrungen aus dem Leistungssport kommen dir da zu Gute?
Kattenbeck: Weniger das fachliche natürlich, aber so Dinge wie Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und das eigene Bauchgefühl, gepaart mit einer gewissen Stressresistenz, mit plötzlich auftretenden Faktoren und Belastungen umgehen zu können. Auch die Fähigkeiten, einen Perspektivwechsel unter Stress durchzuführen, natürlich auf einer anderen Ebene mit Patienten als mit Gegnern oder dem Doppelpartner.

Was ist denn aus deiner Sicht nötig, um erfolgreich Badminton Leistungssport zu betreiben?
Kattenbeck: Ich glaube, zum einen braucht man das innere Vertrauen und den Glauben, dass man es schaffen kann. Zum anderen natürlich Durchhaltevermögen, einen langen Atem, weil dies nun mal kein Sprint ist, sondern ein Marathon. Da durchzuhalten bis sich eben der Erfolg einstellt, empfand ich als größte Hürde.

Denken wir nochmal ein bisschen weiter zurück. Junge Sportler*innen stehen oft vor der Entscheidung: Leistungssport oder Studium. Muss das aus deiner Sicht eine „Entweder-Oder“-Entscheidung sein? Welche Gedanken hast du dir damals gemacht?
Kattenbeck: Ich war ja in der Jugendzeit nicht die erfolgreichste Spielerin. Ich bin eher oben mitgeschwommen, aber ich wollte einfach schauen, wie weit ich kommen kann. Damals dachte ich: ‚wenn ich das jetzt nicht mache, werde ich es nie erfahren‘. Von daher wollte ich es probieren und auch schauen, bis zu welchem Punkt ich das mit dem Studium vereinbaren kann. Am Anfang nur eine Sache zu machen, wäre schon frustrierend für mich gewesen, weil man schon viel Lehrgeld bezahlt – und da tut oder tat es gut, neben dem Badminton ein zweites Standbein als Ausgleich zu haben.

Themawechsel. Oft hat man als Außenstehender auch im Vergleich zum Fußball oder Tennis das Bild, Badminton als Leistungssport ist wenig lukrativ. Lohnt es sich trotzdem diesen Weg einzuschlagen? Welche Förderungsmöglichkeiten konntest du nutzen, auch unter deinem Einstieg als „Nicht-Nr.1“-Jugendliche, die damals an den Bundesstützpunkt gewechselt ist?
Kattenbeck: Also ich muss sagen, wenn ich das im Freundeskreis mit normalen Studenten verglichen habe, war das beim Badminton deutlich besser – Sporthilfe, etwas Sponsoring und Bundesliga. Aktuell hat sich da ja gerade auch nochmal einiges getan, was Preisgeld, Sporthilfe und Bundeswehr angeht. Für mich war das damals finanziell sehr entspannt. Es hat zwar nicht gereicht, um große Summen zurückzulegen, aber verglichen mit meinem Einstiegsgehalt nach dem Studium in die Therapeutenausbildung war es auf jeden Fall deutlich besser.

Wenn du zurückschaust auf Dein Leben als Leistungssportlerin, was vermisst du am meisten? Auf welchen Moment schaust Du besonders gern zurück?
Kattenbeck: Ich glaube, den harten Trainingsalltag vermisse ich tatsächlich am wenigsten (lacht). Bei mir waren es definitiv die Turniere, vor allem die großen Events wie Europaspiele oder die Universiade - dort Menschen von überall her kennenzulernen, die eine ähnliche Denke haben. Besonders an die European Games in Baku blicke ich gern zurück. Für mich war das der größte Moment, weil es eben davor viele Rückschläge, viele Durststrecken gab und das auch so ein Signal und ein Boost für mich selber war. Besonders schön das auch mit Raphi [Anm. Raphael Beck] zusammen zu schaffen, wir haben ja seit U13 schon zusammengespielt. Das hatte nochmal einen besonderen emotionalen Wert.

Mal angenommen, du wärst nochmal 18 Jahre alt und hättest nochmal die Wahl, würdest du es nochmal so machen?
Kattenbeck: Auf jeden Fall nochmal! Dieter hat es auch in seinem Interview gesagt, es ist letztendlich so eine Art Lebensschule. Man nimmt so viel mit und formt den Charakter, lernt Selbstdisziplin, Entscheidungen – auch unangenehme – treffen zu können und zu müssen. Man muss natürlich auf einiges Verzichten, aber das ganze Drumherum wiegt es auf.

Welchen Rat würdest du jungen Talenten geben, die vor der gleichen Entscheidung stehen?
Kattenbeck: Geduld mitzubringen und sich - gerade am Anfang - auch die Zeit zu nehmen, um es auszuprobieren und zu spüren, ob es das ist, was ich machen möchte. Das Ganze in dieser Phase auch mit der Doppelbelastung Studium – Leistungssport entspannter anzugehen, ohne dabei zu vergessen, sich auf jeden Fall ein zweites Standbein aufzubauen.

Vielen Dank und viel Erfolg auf Deinem weiteren Weg!

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