Marc Zwiebler (Foto/Archiv: BadmintonPhoto)

Sportpolitik

Deutsche Spitzensportler müssen in ihrer Karriere auf rund 58.000 Euro verzichten

Im Auftrag der Deutschen Sporthilfe wurde von der Deutschen Sporthochschule Köln eine Studie zur Lebenssituation deutscher Spitzenathleten erstellt. Dabei kam ein Stundenlohn von 7,41 Euro bei einer 56-Stunden-Woche heraus. Trotzdem herrscht unter den Athleten eine relativ hohe Lebenszufriedenheit.

Von Florian Dubbel

 


Die Deutsche Sporthochschule Köln hat im Auftrag der Deutschen Sporthilfe nach 2009 zum zweiten Mal die Lebens- und Einkommenssituation der Sporthilfe-geförderten Athleten in Deutschland untersucht. Die befragten Athleten meistern im Durchschnitt eine 56-Stunden-Woche, in der sie knapp 32 Stunden für die Ausübung ihres Sports aufwenden und weitere 24 Stunden für Berufstätigkeit, Ausbildung oder Studium. Dieser Zeitaufwand ist mit jährlichen Bruttoeinnahmen von im Mittel 18.680 Euro verbunden. Demgegenüber stehen jährliche Ausgaben in Höhe von durchschnittlich 16.500 Euro, von denen 5.160 Euro für die Ausübung des Sports aus eigener Tasche bezahlt werden. Verbindet man die monatlichen Einnahmen und den Zeitaufwand für Sport, Beruf und Ausbildung, so entspricht dies einem kalkulatorischen Stundenlohn von 7,41 Euro - und damit deutlich unter dem Mindestlohnniveau von aktuell 9,19 Euro.

Bereits 2009 hatte die Deutsche Sporthochschule Köln entsprechende Zahlen unter den von der Deutschen Sporthilfe geförderten Spitzenathleten erhoben. Ein Athlet hatte damals 58,9 Stunden für Training, Wettkampf, Beruf und Ausbildung aufgewendet und dabei im Schnitt ein Bruttoeinkommen von 1.919 Euro brutto im Monat. Damals lag der durchschnittliche Stundenlohn nach Abzug der sportbedingten Kosten, bei 7,38 Euro.

Die aktuelle Studie zeigt darüber hinaus, dass im Laufe einer durchschnittlichen Karriere, also im Alter zwischen 18 und 30 Jahren, Spitzenathleten im Vergleich zur Gesamtbevölkerung Einbußen beim Bruttoeinkommen in Kauf nehmen müssen. Berücksichtigt man die sportbezogenen Ausgaben, so lässt sich ein kumulierter Verzicht alleine beim Bruttoarbeitsverdienst von durchschnittlich 57.990 Euro beziffern. Dies sind die direkten Opportunitätskosten des Spitzensportengagements. Durch den verspäteten Berufseinstieg nimmt der Sportler darüber hinaus weitere signifikante Einbußen bei der Einzahlung in die Alterssicherungssysteme bzw. bei der individuellen Altersvorsorge in Kauf.

„Die Studienergebnisse sind ein weiterer wissenschaftlicher Beleg, dass Deutschlands Spitzenathleten noch immer mit geringen Einnahmen zu kämpfen haben. Allem voran im Sport, aber auch in Ausbildung und Beruf zeigen sie dabei aber überdurchschnittlichen Einsatz. Wir müssen aufpassen, dass Deutschlands Athleten in internationalen Wettbewerb nicht zu sehr an Boden verlieren. Für uns sind die Ergebnisse Ansporn, in Kooperation mit unseren Wirtschaftspartnern weiter am Ausbau der Unterstützung der Spitzensportler zu arbeiten. Es ist daher besonders erfreulich und elementar wichtig für die Athletenförderung in Deutschland, dass die Parlamentarier im Bundestag gemeinsam mit dem Innenministerium 2018 eine zusätzliche Unterstützung für die deutschen Spitzenathleten beschlossen haben und diese auch 2019 fortgeführt und ausgebaut wird“, so Michael Ilgner, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Sporthilfe. Im Sommer des letzten Jahres hatte der Deutsche Bundestag 3,5 Millionen Euro für die zweite Jahreshälfte 2018 zur Auszahlung an Athleten über die Deutsche Sporthilfe beschlossen, für das Jahr 2019 sind bereits 7 Millionen Euro eingestellt worden.

Trotzdem zufrieden

Trotz dieser Zahlen sind Spitzensportler in Deutschland im Durchschnitt relativ zufrieden mit ihrem Leben – der Mittelwert liegt bei 7,4 auf einer Skala von 0 (ganz und gar unzufrieden) bis 10 (ganz und gar zufrieden). Dieser Wert liegt nur leicht unter dem Wert für die gleichaltrige die Gesamtbevölkerung (7,6). Hingegen fällt die Zufriedenheit mit dem persönlichen Einkommen mit einem Mittelwert von 5,0 geringer aus. Letztere ist zwar im Zeitverlauf seit 2009 etwas gestiegen (damals: 4,2), liegt aber immer noch deutlich unter dem Wert der gleichaltrigen Bevölkerung von 6,2.

Reaktionen:

Marc Zwiebler, ehemaliger Weltklasse-Badmintonspieler, Mitglied der DOSB Athletenkommission:

„Die Studie zeigt, dass sich viele Spitzensportler weiterhin am Existenzminimum bewegen, aber trotzdem jeden Tag hochmotiviert im Training stehen und Bestleistungen erbringen. Um auch in Zukunft Talente im Spitzensport zu halten, müssen die finanziellen Rahmenbedingungen, die Absicherung und die gesellschaftliche Akzeptanz für Athleten deutlich gesteigert werden.“

Dagmar Freitag, Vorsitzende des Sportausschusses des Deutschen Bundestags:

„Diese Studie ist einmal mehr ein Weckruf für alle Verantwortlichen im Sport. Wir müssen uns weiterhin intensiv für eine bessere finanzielle Ausstattung unserer Spitzensportler einsetzen, vor allem für künftige Sportlergenerationen. Der Sportausschuss hat die Notwendigkeit erkannt und eine direkte Förderung für Deutschlands Spitzensportler auf den Weg gebracht.“

Eberhard Gienger, Mitglied des Bundestags, Kurator der Deutschen Sporthilfe, ehemaliger Spitzenturner:

„Die Deutsche Sporthilfe wird seit über 51 Jahren aus privaten Mitteln finanziert und getragen Sie ist für Athleten unverzichtbar, auch meine Sportkarriere wäre ohne Sporthilfe-Förderung so nicht möglich gewesen. Die Anforderungen an die heutige Sportlergeneration werden immer komplexer, der Wettbewerb intensiver. Es ist existenziell, dass alle an einem Strang ziehen, um eine Spitzensportkarriere attraktiv zu halten. Die Studienergebnisse zeigen eindrucksvoll, dass es dafür höchste Zeit ist.“

In der aktuellen Studie wurden die von der Stiftung Deutsche Sporthilfe geförderten Athleten im Zeitraum März bis April 2018 befragt. Es nahmen 1.087 Sportler an der Studie teil. Die ausführlichen Studienergebnisse finden Sie hier.

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